Rechteckig, praktisch, gut
Während sich Boxenmatten in Pferdeställen früher eher rarmachten, haben sie sich
mittlerweile fest dort etabliert – was in kritischen Köpfen fast zwangsläufig die Frage aufkommen lässt: Handelt es sich hier um mehr als nur um das Resultat einer cleveren Vermarktungsstrategie? Oder anders gewendet: Braucht man die Matten überhaupt – und wenn ja: wozu?
„Da gibt es eine ganze Reihe von Aspekten“, sagt Barbara Wendelken aus Lilienthal, die als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Zucht, Haltung, Fütterung und Bewertung von Pferden (www.pferdegutachter.de) auch beratend tätig ist und ihren Kunden u. a. Tipps zur Bodenbeschaffenheit im Stall gibt.
„Matten verhindern, dass das Pferd in der Box ausrutscht. Sie sorgen für mehr Liegekomfort, sind wärmeisolierend, schonen dank ihrer stoßdämpfenden Wirkung die Gelenke und sparen außerdem auch noch Einstreu“, zählt sie auf und bilanziert: „Mir gefallen diese Matten sehr.“
Rutschiger Boden, ade!
Aber der Reihe nach. Dass Pferde, insbesondere wenn sie beschlagen sind, in der Box ausrutschen können, ist nichts Neues. Denn, wie Georg Sulzberger, Inhaber und Geschäftsführer des Unternehmens Sulzberger Stalleinrichtungen & Pferdeboxen im baden-württembergischen Freiamt (www.sulzberger.de), es beschreibt:
„Die meisten Boxen haben einen Betonboden. Der ist zwar in aller Regel mit Stroh oder einem anderen Material eingestreut. Aber viele Pferde schieben die Einstreu nach und nach zur Seite, bis sie schließlich auf dem blanken Beton stehen, der mit der Zeit immer glatter wird.“ Auch Holzböden, wie man sie vor allem in vielen zu Pferdeställen umgebauten ehemaligen Rinderställen vorfindet, sind häufig rutschig – eine Gefahrenquelle, die Gummi- und Kunststoffmatten dank ihrer rutschhemmenden Oberfläche minimieren können.
Womit wir auch schon bei den für Stallmatten verwendeten Materialien wären. Am gängigsten ist Gummi. „Sehr weich und warm“, fasst Georg Sulzberger die positiven Eigenschaften zusammen – Stichworte, die auch Walter Heim, Prokurist und Vertriebsleiter der ecora GmbH im oberfränkischen Arzberg (www.ecora.de), nennt. „Für die Wärmeisolation sorgen Luftkammern an der Unterseite“, erklärt er und lobt darüber hinaus die Robustheit und Strapazierfähigkeit der Gummimatten:
„Sie sind gegen Urin und gegen Säure ausgesprochen resistent.“ Allerdings, so räumt er ein: Bei Widiastiften und Stollen ist Vorsicht geboten. Übrigens nicht nur, weil sie zu einem höheren Abrieb führen und die Matten beschädigen können: Beim Hinlegen, aber auch bei schnellen Dreh- und Stoppbewegungen in der Box laufen die Pferde Gefahr, sich daran zu verletzen. Deshalb sollte man Widia-Stifte und Stollen, sofern möglich, herausdrehen, bevor man das Pferd in die Box bringt.“
Einstreuersparnis ist belegt
Weich, warm, stoßdämpfend und dadurch gelenkschonend – all das sind, neben der Rutschfestigkeit, also Attribute, mit denen Hersteller und Händler von Gummimatten für ihre Produkte werben. Und mit der „Einstreu-Sparfunktion“ natürlich: Denn dank der genannten Eigenschaften übernehmen Gummimatten viele der Aufgaben, die die Einstreu, wenn sie auf dem blanken Boxenboden liegt, allein erfüllen muss. Übrig bleibt für sie jetzt nur noch der „Job“, die Feuchtigkeit aufzusaugen: „Man braucht nur so viel Einstreu, dass der Urin gebunden wird“, betont Walter Heim.
Eine Aussage, die übrigens durch Forschungen bestätigt wird: Bereits im Jahr 2013 veröffentlichten die Wissenschaftler Prof. Dr. Barbara Benz, Benjamin Benitz, Prof. Dr. Konstanze Krüger und Prof. Dr. Dirk Winter von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen das Ergebnis eines Praxistests, den sie in einem Pensionspferdebetrieb im Landkreis Konstanz durchgeführt hatten:
Dort verglichen sie das herkömmliche „mattenlose“ Wechselstreuverfahren in Form einer acht bis zehn Zentimeter dicken Späneschicht mit der Verwendung von weichen Gummimatten, bei denen Späne nur noch in einer Höhe von rund einem Zentimeter aufgebracht waren. Gummimatten, so das Ergebnis der Nürtinger Studie, reduzieren nicht nur die erforderliche Einstreumenge, sondern auch die für die Boxenhygiene aufzuwendende Arbeitszeit – im Winter um 28 und im Sommer immerhin noch um 13 %. Dazu kommt die Gesamt-Kostenersparnis, die sich der Nürtinger Untersuchung zufolge auf rund 300 € pro Box und Jahr beläuft.
Auch wenn das in dieser Form sicherlich nicht auf jeden Stall übertragbar ist, lässt sich kaum abstreiten, dass der finanzielle Aspekt, zumindest längerfristig gesehen, für Matten spricht. Denn, wie Barbara Wendelken betont: „Neben Heu ist auch Stroh sehr teuer geworden. Außerdem fallen, wenn man Matten verwendet, natürlich auch weniger Kosten für die Mistlagerung und -entsorgung an.“
Klingt so weit alles nach eitel Sonnenschein. Aber was ist eigentlich mit den PAK-Werten, die die Gummimatten zwischenzeitlich ziemlich in Verruf gebracht haben? Hinter dem Kürzel PAK verbergen sich „polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe“. Die krebserregenden Substanzen können in bedenklichen Mengen in Teerölen enthalten sein, die manchmal anstelle von sauberen Mineralölen als Weichmacher bei der Gummiherstellung zum Einsatz kommen. Das Gummiwerk Kraiburg, von dem er seine Matten bezieht, habe die Produkte als erster Hersteller bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft zum PAK-Test angemeldet, mit Bravour bestanden und lasse sie auch weiterhin im Rahmen des Qualitätssiegels „Kontinuierlich geprüft“ regelmäßig testen, betont Georg Sulzberger, während Walter Heim zu bedenken gibt: „Die Pferde stehen ja nicht 24 Stunden am Tag im Stall. Selbst wenn sie diese Substanzen einatmen sollten, tun sie das sicherlich nur in homöopathischen Dosen.“
Box: besser wasserdicht
Eine grundsätzliche Frage im Zusammenhang mit Matten lautet: wasserdurchlässig oder wasserundurchlässig? Gummimatten der erstgenannten Kategorie sind in der Regel aus Gummigranulat, meist aus entsorgten Autoreifen, wasserundurchlässige Modelle dagegen aus vulkanisiertem Vollgummi hergestellt. „Für die Box kommen in 99 % der Fälle nur wasserundurchlässige Matten infrage“, sagt Annika Pohle, Produktberaterin bei Hofmeister Pferdesport im nordrhein-westfälischen Gevelsberg (www.hofmeister-pferdesport.de). Die einzige Ausnahme: In einem zum Pferdestall umgebauten ehemaligen Kuhstall, bei dem ein unter dem Spaltboden verlaufender Güllekanal sicherstellt, dass der Pferde-Urin abfließen kann, sind wasserdurchlässige Matten sinnvoll. Ansonsten sollte man sie in den Außenbereich verbannen. Verwendet man sie auf Beton, sammelt sich der Urin unter den Matten an.
„Außerdem setzt sich, wenn man die Matten nicht sehr regelmäßig und gründlich durchspült, mit der Zeit unweigerlich Schmutz in den Poren fest, sodass diese nicht nur verstopfen, sondern häufig auch ein Bakterienschwamm entsteht“, warnt Annika Pohle.
Gummi-Estrich?
Zumindest für die Pferdebox lautet die Devise also: Je dichter, desto besser. Ist es unter diesem Gesichtspunkt nicht am besten, man greift zu Gummi-Estrich statt zu Matten, zwischen denen zwangsläufig kleine Fugen oder Ritzen bleiben? Gummi-Estrich ist getrockneter und ausgehärteter Flüssiggummi, der den Boden komplett versiegelt, sodass garantiert weder Urin, noch Schmutzpartikel noch Bakterien daruntergeraten. Gummi-Estrich wird auf Beton aufgebracht, ist aber wesentlich weicher und wird, um die Rutschfestigkeit zu erhöhen, häufig mit Quarzsand abgestreut. „Eigentlich eine feine Sache“, findet Walter Heim.
Warum nur „eigentlich“? Die ecora GmbH habe Gummi-Estrich früher im Sortiment gehabt, sei inzwischen aber davon abgekommen, berichtet Heim: „Wenn die Einbauvorschriften nicht richtig gelesen werden und der Beton nicht restlos ausgehärtet ist, wirft der Estrich Blasen.“ Wenn schon Gummi-Estrich, dann sollte man ihn möglichst von einer Fachfirma einbauen lassen, rät er und fügt hinzu: „Wenn man die Gummimatten vor dem Verlegen genau schneidet, sodass sie Kante an Kante liegen, tritt das Pferd sie nach kurzer Zeit so fest, dass die Durchlässigkeit auch kein Problem mehr ist.“ Außerdem birgt Gummi-Estrich noch ein anderes Problem, gibt Barbara Wendelken zu bedenken: „Weder kann man ihn als Ganzes einfach herausnehmen noch ohne Weiteres defekte Stellen reparieren. Einzelne Gummimatten auszutauschen ist dagegen überhaupt kein Problem.“
Auffällig: Bei Firmen, die Boxenmatten aus unterschiedlichen Materialien anbieten, sind Produkte aus Kunststoff in so gut wie allen Fällen zahlenmäßig unterrepräsentiert. Kunststoffmatten, die in aller Regel aus recyceltem Kunststoff hergestellt werden, seien eben härter und glatter als Gummi, erklärt sich Georg Sulzberger dieses Ungleichgewicht: „Deshalb sollte man sie niemals ohne Einstreu verwenden und niemals bei Pferden, die Widiastifte tragen, denn diese machen die Matten kaputt.“
Kunststoff ist günstiger
Einen großen Vorteil haben Kunststoffmatten, die es ebenfalls in wasserundurchlässiger und in perforierter und damit wasserdurchlässiger Ausführung gibt, aber doch: Sie sind günstiger als Modelle aus Gummi. Je nach Qualität und Ausführung beträgt der Preisunterschied etwa 5 bis 15 € pro Quadratmeter – da kommt auf die ganze Box oder, mehr noch, auf den ganzen Stall gerechnet eine nicht zu vernachlässigende Summe zusammen. Und: Über den reinen Preisvorteil hinaus gibt es durchaus Fälle, in denen man mit Kunststoff besser beraten ist. „Auf unbefestigtem Boden sind weiche Matten nicht stabil genug, da braucht man festere Produkte“, sagt Annika Pohle. „Deshalb sind Kunststoffmatten dort praktikabler. Aber natürlich bieten sie weniger Liegekomfort.“ Auch Matten, die aus einem Gummi-Kunststoff-Gemisch bestehen, bietet der Markt.
Apropos Liegekomfort: Der sei bei den sogenannten EVA-Matten noch besser als bei Gummi-Produkten, betont Annika Pohle. EVA-Matten bestehen aus Ethylen-Vinylacetat – einem geschäumten Kunststoff, der u. a. auch bei Wander- und Sportschuhen sowie Yogamatten zum Einsatz kommt. Laut Annika Pohle bieten sie gleich mehrere unschlagbare Vorteile auf einmal. „Sie sind sehr gut verformbar, was vor allem für ältere Pferde super wichtig ist, damit sie sich hinlegen. Dank ihrer hohen Federkraft formen sie sich aber auch gut zurück, was man leicht überprüfen kann, indem man auf sie drückt“, sagt sie und fasst zusammen: „EVA-Matten sind einerseits angenehm weich, andererseits aber auch so fest, dass die Pferde stabil auf ihnen stehen. Außerdem haben die Tiere auf ihnen deutlich mehr Griff beim Aufstehen als auf Kunststoff oder Gummi.“
EVA-Matten seien darüber hinaus, da sie keine Weichmacher enthalten, von den PAK-Werten her unbedenklich und auch in puncto Wärmeisolierung und Stoßdämpfung schlichtweg nicht zu überbieten, zählt die Produktberaterin weitere Vorteile auf. Und: „Sie sind deutlich leichter als Gummimatten, was vor allem für die vielen Frauen unter den Pferdehaltern ein großer Vorteil ist. Während eine Gummimatte im Durchschnitt 30 kg pro Quadratmeter wiegt, sind es bei einer EVA-Matte nur 4,5 kg.“ Der einzige Nachteil: „Sie sind nicht UV-Licht-beständig, weshalb sie sich ausschließlich für den Innenbereich eignen.“
Verlegen: gewusst wie
Was man bei den verschiedenen Mattentypen beim Verlegen beachten muss? Dass man sie so zuschneidet, dass sie im Ganzen gesehen die Boxenfläche ausfüllen, versteht sich fast von selbst – ein Hinweis, der bei Kunststoffmatten logischerweise ins Leere läuft. „Weil sich Gummimatten bei Hitze ausdehnen, sollte man am Boxenrand einen Zentimeter Luft lassen“, rät Georg Sulzberger und hat noch einen weiteren Tipp parat: „Gummimatten gibt es auch als Rollenware, die man in einem zusammenhängenden Stück in die Box legen kann. Allerdings sind sie dann teurer, was mit dem Produktionsverfahren zusammenhängt.“ Wer die Matten zurechtschneiden muss, verwendet dazu meist eine Stichsäge. „Bei EVA-Matten genügt aber auch ein herkömmliches Teppichmesser“, sagt Annika Pohle. Untereinander lassen sich viele EVA- und auch viele Gummimatten über puzzleähnliche Verzahnungen an den Rändern miteinander verbinden. Zum Saubermachen sollte man die Matten ab und zu herausnehmen und mit dem Wasserschlauch oder, bei starker Verschmutzung, mit dem Hochdruckreiniger vom Schmodder befreien. Bleibt noch die Frage der Entsorgung. „Die Hersteller nehmen die Gummimatten zurück“, sagt Walter Heim und fügt hinzu: „Die werden dann gewaschen, geschreddert und wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt.“ Wobei die Frage der Entsorgung, glaubt man den Ausführungen der Matten-Fachleute, unabhängig vom verwendeten Material eher eine hypothetische Frage ist. Er verkaufe seit 43 Jahren Gummimatten und habe noch nie erlebt, dass eine kaputtgeht, berichtet zum Beispiel Georg Sulzberger – was in der Tat nach extremer Robustheit und Langlebigkeit klingt. Oder wie Annika Pohle es formuliert: „Es verhält sich ähnlich wie mit dem Sattelkauf: Boxenmatten sind einmalig eine kostenintensive Anschaffung. Aber dafür hat man dann, wenn man beim Kauf auf die Qualität geachtet hat, auch sehr lange etwas davon.“
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