Lektionssicheres Schwergewicht
Leichtfüßig und aufmerksam trabt der gut eine Tonne schwere Manni neben seinem Besitzer. Nah beieinander und ohne Zaumzeug. Die einzigen Hilfsmittel, die Julian von Rimon Lipinski bei der Freiheitsdressur verwendet, sind zwei lange Touchiergerten, die kaum sichtbar zum Einsatz kommen, wenn Stimmkommandos und ein Fingerzeig einmal nicht ausreichen.
Mit einer Hosentasche voller Leckerchen für den Rheinisch-Deutschen Kaltblutwallach klappt es noch besser. „Komm, Galopp“, sagt Julian. Jetzt wechselt er selbst seine Gangart, joggt nicht mehr, sondern springt neben seinem Pferd im Gleichmaß her. Synchron drehen die beiden eine Zirkelrunde, bevor sie anhalten und der braune Kaltblüter seine Belohnung bekommt.
„Manni lässt sich sehr gut mit Leckerchen motivieren. Dafür macht er alles“, erklärt Julian und freut sich, dass der elfjährige Wallach hoch motiviert ist und mit gespitzten Ohren auf das nächste Kommando wartet.
Alles selbst beigebracht
Dabei hat Manni zu Beginn der Ausbildung nicht auf Anhieb verstanden, was seine Aufgabe sein soll. „Es hat bei ihm gedauert, bis es Klick gemacht hat. An manchen Tagen habe ich wirklich lange gebraucht, bis von ihm irgendeine Reaktion kam. Mittlerweile bietet er von selbst etwas an, um ein Extra-Leckerli zu bekommen“, sagt Julian. Der Spanische Schritt gehört zu einer der Paradelektionen der beiden. Auch dabei gehen sie im Gleichschritt nebeneinander her. Irgendwann hat der Wallach auch angeboten, mit den Vorderbeinen weiter auszuholen. „Auf leichtes Touchieren klappen nun auch Ansätze im Spanischen Trab“, erklärt Julian.
Der 33-Jährige, der erst im Alter von 18 Jahren zum Pferd kam, hat sich die Freiheitsdressur autodidaktisch beigebracht – und das so erfolgreich, dass er immer wieder eingeladen wird, um mit seinem Manni auf Veranstaltungen seine Shownummern vorzuführen. So haben Julian und Manni schon beim Kaltbluttag in Münster-Handorf und bei Körveranstaltungen das Publikum beeindruckt und viel Applaus erhalten. „Ich bekomme grundsätzlich sehr viel positives Feedback“, freut er sich.
„Hoch“, ruft Julian jetzt zu Manni. Dabei steht er vor ihm und schwingt beide Arme in die Luft. Manni beugt die Hanken, setzt seine ganze Kraft ein und steigt. Auch Travers, Hinlegen, Sitzen und Ansätze zur Passage gehören zum Repertoire des Teams. „Ich würde ihm gerne noch das Piaffieren beibringen“, erklärt Julian und tippt den Wallach leicht an den Hinterhand an. „Da hapert es noch ein bisschen, aber irgendwann wird das schon“, sagt er zuversichtlich, während Manni sich für drei kleine Tritte an der Mähne kraulen lässt und auf ein weiteres Leckerchen hofft.
Ein Wunschkind
Julian von Rimon Lipinski kennt sein Pferd seit dem Fohlenalter. Er wurde extra für ihn gezogen. Nachdem Julian erst mit 18 Jahren Reiten gelernt hat, bekam er eine Reitbeteiligung an Mannis Mutter, fand mit ihr auch schnell Gefallen an der Freiarbeit und wollte alsbald ein eigenes Pferd haben. „Dann haben wir einen Hengst ausgesucht und mir kurzerhand ein Pferd gezüchtet“, sagt er.
Julian bekam so auch recht schnell einen Einblick in die Zucht – und das dabei nicht alles planbar ist. Gewünscht hatte er sich eine dunkelbraune Stute mit Blesse. Doch es wurde ein braunes Hengstfohlen. Manni stammt ab von dem Hengst Martell aus einer Stute von Eberhard.
Die Faszination für Kaltblüter hatte Julian schon aus seiner Heimat Polen mitgebracht. „Dort bestimmen sie das Landschaftsbild und sie sind sehr vielseitige Freizeitpartner,“ erklärt Julian, der mit seinem Manni nicht nur Lektionen in der Freiheitsdressur erarbeitet, sondern mit dem Wallach auch vor der Kutsche und unter dem Sattel erfolgreich unterwegs ist. „Mit Manni habe ich schon so viel erlebt“, erzählt er, „demnächst machen wir einen mehrtägigen Wanderritt in die Eifel, gemeinsam mit einer kleinen Kaltblutgruppe, mit der wir auch schon am Meer im Urlaub waren. Nur Springen geht mit den schweren Pferden nicht, sonst sind sie wirklich für alles zu haben.“
Julian nahm mit dem Wallach auch schon an Kaltblutrennen teil und gewann eine Schärpe mit der Aufschrift „Schnellster Dicker des Sauerlandes 2019“. Die hängt zusammen mit vielen anderen Schleifen und Dokumenten, die die Meilensteine seines Hobbys belegen, in seinem Treppenhaus. So kann jeder gleich sehen, dass Julian von Roman Lipinski ein echter Pferdenarr ist. „Meine Pferde sind so viel wie möglich draußen und werden abwechslungsreich gearbeitet, das hält sie fit und gesund,“ erklärt er und räumt mit dem Vorurteil auf, dass Kaltblüter zu der gemütlichen Sorte gehören: „Sie bringen zwar von Haus aus einen sehr ausgeglichenen Charakter mit, es sind aber dennoch echte Kraftpakete, die etwas tun wollen und sehr leistungsbereit sind. Ich habe überlegt, ob Holzrücken nicht auch noch etwas für uns wäre.“ Aktuell ist Manni allerdings gut ausgelastet – denn er hat nun auch noch den Job des „großen Onkels“ für Julians erstes selbst gezogenes Fohlen übernommen. Das Thema Zucht hat den Mendener einfach nicht losgelassen.
Lesen Sie den gesamten Beitrag in unserer November-Ausgabe. Hier geht es zur Heftbestellung.